Montabaur baut – und alles dauert
Neubau der Verbandsgemeindeverwaltung: Feuchtigkeit, Frust und die große Frage – wer trägt die Schuld, wenn Baustellen ewig laufen und Preise explodieren?
Wenn der Trockenbauer geht, ist’s selten trocken
Eigentlich sollte das neue Verbandsgemeindehaus in Montabaur längst fertig sein. Die Verwaltung wollte schon 2023 einziehen. Doch heute, im Herbst 2025, stehen viele Räume noch leer. Der Trockenbauer ist rausgeflogen, es gibt Streit, Nachforderungen, und der Einzug wird auf 2026 verschoben.
Das klingt nach einem lokalen Drama – ist aber ein Lehrstück über das Bauen in Krisenzeiten: zu wenig Puffer, zu viele Vorschriften, zu hohe Erwartungen und steigende Preise, die jede Kalkulation sprengen.
38 Millionen Euro – und trotzdem kein Einzug
Die Verbandsgemeinde hatte 2018 entschieden: Ein neues Verwaltungsgebäude muss her. Der alte Bau war marode, zu klein und nicht mehr zeitgemäß.
Der Wettbewerb ging an BOF Architekten aus Frankfurt, Baubeginn war Ende 2020, und das Ganze sollte „nur“ etwa 33,5 Millionen Euro kosten. Inzwischen spricht man von rund 38,5 Millionen Euro, inklusive Puffer.
Offiziell heißt es: „Wir liegen im Kostenrahmen.“
Inoffiziell weiß jeder, der schon mal eine Baustelle erlebt hat: Wenn Firmen gekündigt, Wände wieder aufgerissen und Juristen eingeschaltet werden, dann wird’s teuer. Und irgendwann ist jeder Puffer aufgebraucht.
Erst Corona, dann Krieg, dann Wasser
Schon vor dem Trockenbau-Drama lief nicht alles glatt.
- 2021/22 bremste Corona Lieferketten und Personal.
- 2022/23 schossen die Materialpreise nach dem Ukraine-Krieg durch die Decke.
- 2023 kam der Feuchtigkeitsschaden – Wasser drang über die Fassade ins Gebäude ein, ruinierte Wände und Doppelböden.
- 2025: Der Trockenbauer wird rausgeworfen, weil offenbar Termine nicht gehalten oder Arbeiten mangelhaft ausgeführt wurden.
Die Verwaltung versichert, man steuere das Projekt engmaschig und nutze professionelles Baucontrolling. Das mag stimmen – aber am Ende interessiert die Bürger vor allem eins: Warum dauert’s so lange, und warum zahlen wir am Ende trotzdem mehr?
Wenn Preise steigen, kippen Kalkulationen
Viele beteiligte Firmen ächzen. Die meisten Angebote stammen aus den Jahren 2020 oder 2021 – zu einer Zeit, als Gipsplatten, Stahl und Holz noch halbwegs bezahlbar waren.
Seitdem haben sich viele Preise um 30 bis 60 Prozent erhöht.
Aber öffentliche Aufträge sind starr: Nachverhandeln ist fast unmöglich.
Ein Trockenbauer aus der Region (der anonym bleiben möchte) bringt es auf den Punkt:
„Wir haben damals ein Angebot gemacht, das solide war. Heute kostet uns das Material fast das Doppelte. Und wenn du keine Preisgleitklausel im Vertrag hast, arbeitest du im Minus.“
Viele Firmen kämpfen gerade darum, nicht draufzuzahlen. Manche ziehen sich ganz aus solchen Großprojekten zurück – zu viel Risiko, zu viel Papierkram, zu wenig Luft zum Atmen.
Feuchtigkeit? Nicht nur im Gebäude.
Auch das Klima auf der Baustelle hat gelitten.
Ein Mitarbeiter eines beteiligten Betriebs erzählt:
„Du kommst mit deinen Leuten, willst arbeiten, aber der Raum ist feucht, das Material unbrauchbar, die nächste Firma kann auch nicht anfangen. Wochenlang Stillstand – und du stehst da mit deinen Lohnkosten.“
Das ist nicht nur ärgerlich, das ist existenzbedrohend.
In der Branche gilt: Wer stillsteht, verliert Geld – und Nerven.
Wer trägt die Schuld?
Ganz ehrlich: Es gibt keinen einfachen Schuldigen.
Die Stadt hat geplant, wie man in solchen Fällen plant – mit Architekten, Fachplanern und Projektsteuerung. Die Firmen arbeiten unter enormem Kostendruck. Und die äußeren Umstände – Pandemie, Krieg, Lieferchaos – waren für niemanden vorhersehbar.
Aber:
- Manche Entscheidungen kamen zu spät.
- Einige Gewerke waren nicht vollständig durchgeplant.
- Und vielleicht war der Zeitplan einfach zu ehrgeizig.
Wenn dann noch Wasser eindringt und ein Trockenbauer geht, steht das Projekt – ganz unabhängig von der Schuldfrage – erst einmal still.
Das kostet Nerven, Geld – und Vertrauen
Die Stadt spricht davon, dass man „gut im Plan“ liege. Doch was heißt „Plan“, wenn der Einzug um drei Jahre verschoben wird?
In der Realität bedeutet das:
- Höhere Zwischenkosten (Mieten, Doppelführung von Räumen)
- Juristische Streitigkeiten mit Firmen
- Unsicherheit für Mitarbeiter, die längst auf den Umzug warten
Für die Bürger bleibt ein schaler Beigeschmack:
Wenn ein öffentliches Bauprojekt so schleppend läuft, fragt man sich automatisch, wie viele Millionen hier am Ende noch draufkommen – und wer das bezahlt.
Was wir von 2halb3 dazu sagen
Wir sagen’s offen:
Montabaur hat mutig gebaut – und mutig ist gut. Aber wer groß denkt, muss auch groß rechnen können.
Wenn die Wände feucht sind, liegt das selten nur am Wetter.
Und wenn Firmen kündigen, läuft etwas tiefer schief.
Die Verwaltung gibt sich betont gelassen – „alles im Rahmen“. Doch wer schon mal in einem Altbau gewohnt hat, weiß: Feuchtigkeit breitet sich leise aus. Erst riecht’s, dann blättert’s, dann zahlt man drauf.
Am Ende wird Montabaur sein schönes, modernes Verwaltungsgebäude bekommen. Aber der Weg dorthin zeigt, was in der öffentlichen Baupraxis falsch läuft: zu viel Bürokratie, zu wenig Realitätssinn – und zu wenig Vertrauen in die Menschen, die das alles wirklich bauen.
Deine Meinung zählt
Hast du selbst auf der Baustelle gearbeitet?
Kennst du jemanden, der betroffen ist – oder kannst du belegen, was wirklich schiefgelaufen ist?
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